Digitales Wohnzimmer

Menschen sind zu Schnecken mutiert.

Zu diesem Anlass haben wir, Anna Vera Kelle und Holle Münster, ein Spiel entwickelt.

(Stand 29.04.2020, Kontakt: info@annaverakelle.de / holle@prinzip-gonzo.de)

GEORGES HOUSE
(Prototyp)

Willkommen zuhause. 
Oder: Schon wieder treffen bei mir.

Ein Spiel mit dem Tool der Stunde: Video-Konferenz. 

Zur Idee.
Die Menschen sind zu Schnecken mutiert. Sie kriechen über die Breitbandautobahn von Treffen zu Treffen und haben ihre Häuser immer dabei. Eigentlich schön und heimelig, doch eh sie sich versehen, sind sie nicht mehr allein in ihrem Schneckenhaus: Kolleg*innen, Bekannte, Verwandte, sogar Fremde – jede*r Schneck kommt einfach rein, macht sich breit. Was bedeutet es für die Schnecke, wenn sie sich nicht mehr in ihr Haus zurückziehen kann?

Es sind merkwürdige Zeiten im Moment, ständig sind wir bei Menschen zuhause, die wir privat gar nicht kennen und ständig machen sich eben diese Menschen auch in unseren Wohnungen breit. Da kann es schon mal passieren, dass du gar nicht mehr weißt, bei wem du gerade bist oder dass alle Wohnungen zu einer Wohnung werden – entpersonalisierter Coworkingspace, der eigene Raum als Erweiterung der Räume der anderen, ausgebeulte Privatöffentlichkeiten. Was macht noch mal den eigenen Lebensraum zu dem Teil meiner Identität? Oder inwiefern ist mein Raum auch Teil der Identitat der anderen? Kann man schon mal kurz vergessen…

Wir erfahren

  • Private Dinge als Teil der Identität.
  • Gemeinsames Schaffen von Erzählungen.
  • Eine Parallelität von Realitäten.
  • Ein theatrales Erlebnis.
  • Ein Kennenlernen über die Art, wie wir Geschichten erzählen.
  • Etwas über den Umgang mit privatem Raum in der Öffentlichkeit.
  • Und fragen uns, wem der eigene Bildhintergrund gehört?

Das Spiel
Einige Menschen treffen sich im Video-Chat. Sie waren noch nie beieinander zuhause – weder real noch virtuell – und sie haben eins gemeinsam: Sie behaupten alle, das Treffen fände in den eigenen vier Wänden statt. Wer hat recht? Wer ist der*die wahre Gastgeber*in?​​​​​​​

Hard Facts
– Individuelle Vorbereitung: 15 Minuten
– Spieldauer: 60 Minuten
– Anzahl der Spielenden: 4-6* + 1 Spielleitung (Holle Münster/Anna Vera Kelle)

(Technische) Voraussetzungen: 
– Computer mit Webcam
– Skype+ bzw. Zoom (Desktop) App (pro Team muss sich für ein Tool entschieden werden)
– Aktivierung des virtuellen Hintergrunds im Video-Chat**

* Die Teilnehmenden sollten die “privaten” Orte der anderen Teilnehmenden nicht bereits aus persönlichen Besuchen oder anderen Video-Konferenzen kennen
** hierfür ist bedarf es bei Skype die aktuelle Version (8.59.0.77). 
Um die Funktion bei Zoom ohne Greenscreen zu verwenden, bedarf es folgender Voraussetzungen:
> für Desktop-Rechner mindestens ein Intel-i5-, besser ein i7-Vierkernprozessor zusammen mit macOS 10.13 oder Windows 10
> für die iOS-App müsst ihr mindestens ein iPhone 8 oder neuer am Start haben

So funktioniert’s.
Ihr werdet im Spiel in die Gast und Gastgeber*rolle schlüpfen und zwischen diesen Rollen hin und her wechseln.
Die Wohnung, in der Ihr Euch trefft (sichtbar durch die Bildhintergründe), gehört zwar im “realen” Leben nur zu einem* von Euch, eurer aller Aufgabe ist es aber, die anderen davon zu überzeugen, dass es sich um Eure Wohnung handelt, auch wenn Ihr den Raum noch nie gesehen habt. Nur eine*r von Euch weiß tatsächlich, zu wem die Wohnung gehört. Aber Ihr alle behauptet, es sei die Eure, wenn Ihr etwas dazu gefragt werdet. 
Reihum habt ihr in der Rolle des Gastes die Möglichkeit, Fragen zu Dingen/Objekten im Bildhintergrund zu stellen, und eine*n mögliche*n Gastgeber*in so zu einer persönlichen Geschichte herauszufordern. Diese Person wird möglichst überzeugend darlegen, dass es sich um die eigenen vier Wände handelt. Bedingung ist, ihr dürft als Gast nur Fragen zu Dingen stellen, die ihr in die Hand nehmen und vor die Kamera halten könnt. Sprich: wenn Person x bei Person y im Hintergrund eine Topfpflanze sieht, muss x in der „echten“ eigenen Wohnung eine Topfpflanze suchen und vor die Kamera halten, bevor sie y dazu fragen kann “Wann hast Du die zum letzten Mal gegossen?”. Während die Gäste versuchen den*die “wahren” Gastgeber*in zu finden, ist es dessen Aufgabe unentdeckt zu blieben.

Ablauf
Schritt 1:
– jede*r platziert seinen/ihren Computer auf einem Tisch eines objektreichen Raumes (Wohnzimmer/Küche/…) 
–  anschließend werden von dieser Position 4 Fotos vom Raum gemacht, die insgesamt ca 180° des Raumes abbilden und keine Person zeigen
– die Bilder haben Elemente, die sich überschneiden, damit der geteilte Raum erkennbar wird
–  alle Mitspielenden schicken ihre 4 Fotos an die Spielleitung
Schritt 2:
– Die Spielleitung lost einen Raum aus und ordnet allen 4 Mitspielenden eines der 4 Fotos zu.
Schritt 3:
-Jede*r läd dieses Foto als Hintergrund hoch.


Das Spiel beginnt.
Alle treffen sich zu verabredeter Zeit im Chat und haben zu Beginn ihre Videofunktion ausgeschaltet. Die Spielleitung moderiert die weiteren Schritte, erklärt das Rundensystem. Dann geht es zu einer Person nach Hause. Sobald alle ihre Videofunktion incl. virtuellem Hintergrund einschalten, gilt die Annahme, dass alle im selben Raum miteinander sitzen. Niemand weiß jedoch, wer der/die Gastgeber*in ist. Jede*r behauptet Gastgeber*in zu sein: Reihum werden persönliche Geschichten zu Dingen im Hintergrund erzählt und jeweils Fragen der Gäste dazu beantwortet. Was die Gäste nicht wissen, der*die “wahre” Gastgeber*in versucht unentdeckt zu bleiben.

Ziel des Spiels.
Finde heraus, wer Gastgeber*in ist!

Bedingung.
Gäste dürfen nur Fragen zu Dingen stellen, die sie in die Hand nehmen und vor die Kamera halten können.

Ende.
Wir spielen mehrere Runden, am Ende wird abgestimmt, um wessen Wohnung es sich handelt!
Die Spielleitung löst anschließend auf.

Variante A
Du darfst einen Gegenstand wählen, den Du auf einem der 4 Bilder findest (und im eigenen “echten” Haushalt hast).

Variante B
Du darfst einen Gegenstand aus dem eigenen “virtuellen” Hintergrund wählen, in die “echte Hand” nehmen und dazu eine Geschichte erzählen ohne eine Frage zu stellen. Alle dürfen dazu eine Rückfrage stellen.

Variante C
Du darfst jede Runde frei entscheiden, für welche Variante Du Dich entscheidest.

Vorgedanken: DIGITALES WOHNZIMMER

– theatrale/ fiktionale Experimente mit dem Tool der Stunde: Video-Konferenz – Im Alltag sind sie vor allem Mittel zum Zweck. Sie ermöglichen das Durchführen von Meetings im Home-Office und damit, dass der berufliche Alltag für viele trotz/mit #stayathome weiter gehen kann. Ebenso ermöglicht es, dass Menschen sich abends auf ein Bier treffen oder in verschiedenen Wohnungen gemeinsam Abendessen können. Doch gerade mit Blick auf die beruflichen Meetings bedeutet das Mittel eine Verschiebung der Grenzen zwischen privat und öffentlich bzw. beruflich und eine Überschneidung dieser oft sonst klar getrennten Räume. Gleichzeitig bleibt neben der Bewältigung der gegenwärtigen Situation, das Vereinbaren des permanenten Zuhauseseins und Arbeitens kaum Zeit die Veränderungen und Verschiebungen zu reflektieren. Was bleibt ist das Gefühl, dass das irgendwie ein seltsamer Vorgang ist oder die Abwehr „Bloß nicht noch eine Video-Konferenz“, „können wir nicht einfach telefonieren?“…. Zeit sich mal die Zeit zu nehmen, genauer zu untersuchen, was wir da eigentlich machen, während wir uns gegenseitig im Video betrachten. Was ist möglich, wenn wir die Video-Konferenz nicht nur als Mittel zum Zweck sehen, sondern als Möglichkeit miteinander und mit der Situation zu spielen.

Ausgangspunkte:

  • Die Grenzen zwischen Öffentlichem und Privatem, Physischen und Virtuellem verschwinden.
  • Das Private wird Öffentlich.
  • Jede*r Teilnehmende wird zum Performenden, ebenso wie die Räume und Hintergründe in denen/ vor denen sich Menschen positionieren.
  • Private „Hintergründe“ laden ein zum Voyeurismus, dieser wiederum zum Spiel mit dem (scheinbar) privaten Raum.

Möglichkeit 1: Rollentausch. Die Teilnehmenden tauschen ihre persönlichen Video-Konferenz-Hintergründe gegenseitig.

>> wie wirkt eigentlich mein Video-Raum, wie wirkt es auf andere, wenn ich bzw. in diesem Fall jemand anderes da sitzt? 

Möglichkeit 2: Hausbesuch. Alle Teilnehmenden „versammeln“ sich bei einer/einem Teilnehmenden/Teilnehmendem zuhause, sitzen qua der Hintergründe gemeinsam am Tisch.

>> Entdecken des persönlichen Raumes anhand von Gegenständen, entdecken persönlicher Geschichten, Entwicklung von Fiktionen und gemeinsamen Erinnerungen.

Möglichkeit 3: Der geteilte Raum. Die Räume verschwimmen. Physische Gegenstände verschwinden im virtuellen Raum, während digitale Bilder opak und dadurch physisch erscheinen.

>> Spiel mit Greenscreen/virtuellem Hintergrund